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Eine alte Ruine und ein alter Geist - Teil II

Autorenbild: Maren KunstMaren Kunst

aus

«Durch den Kreis eines Jahres, bis in alle Zeiten...»

Buch II aus der Trilogie

«Das ganze Leben oder das Ganze leben»


«Durch den Kreis eines Jahres, bis in alle Zeiten» ist nach «Herr Hund & das Mädchen» das zweite Buch der Trilogie «Das ganze Leben oder das Ganze leben».


Die liebevolle Gemeinschaft am großen Teich wandelt durch den Kreis eines ereignisreichen Jahres, dass für die Protagonisten einiges auf den Plan stellt. Ihr Erleben spiegelt sich dabei in den Energien und den Kräften des Jahreszyklus. Viele Wege kreuzen sich und sorgen für ein dynamisches Kommen und Gehen. Doch mit Geduld, Erfahrung und Liebe meistern Marie, Hermes, Rose und all die anderen am großen Teich Seite an Seite und Hand in Hand das Unerwartete, Mysteriöse, Dramatische und all die Lektionen die das Jahr für sie ersonnen hat. Und damit sind und bleiben sie nicht alleine, denn der Zirkel wächst und gedeiht und sorgt dafür, dass Neues sprudelnd und kraftvoll inspiriert und Altes geehrt und erhalten bleibt.



 


Eine alte Ruine und ein alter Geist

Teil II


Als Darius und Marie die Burg erreichten, färbte die Sonne das Land bereits amber und orange. Es war später Nachmittag als die beiden die 200 Stufen zur Felsenburg Dunnottar Castle erklommen. Darius studierte den Lageplan mit den einzelnen Gebäuden und interessierte sich für ihre Errichtungszeit die bis ins 12. Jahrhundert zurück reichte und deren spektakuläre Geschichte. Hier trotzte William Wallace – der schottische Nationalheld «Braveheart», den Engländern und eroberte für Schottland die Burg von ihnen zurück. Ein paar Monate diente Dunnottar Castle sogar als Versteck für der Schottischen Kronjuwelen. Kein geringerer als Oliver Cromwell belagerte 1651 die durch ihre Position strategisch wertvolle und nahezu uneinnehmbare Klippenburg Dunnottar Castel, auch um den KönigsInsignien habhaft zu werden. Eine mutige Magd schmuggelte die Juwelen über die Klippen und brachte sie in einer Kirche in Sicherheit und außer Reichweite von Cromwell. Das letzte historische und sehr dunkle Kapitel der Burg ereignete sich in den Gewölben der jahrtausendealten Burg – Whig’s Vault – das winzige Verlies, indem Emily Lane, DìonAnTreun und 165 andere Covenanters ihr Schicksal erfuhren.

Als Darius die letzten Zeilen der Geschichtstafel las, suchte seine Hand die von Marie, die er neben sich glaubte. Doch sie fasste ins Leere. Vertieft in die spannende Geschichte von Dunnottar Castle hatte er nicht bemerkt, dass Marie bereits auf anderem Wege die Geschichte erkundete. Schnell suchte er auf dem Gebäudeplan den Ort, wo er Marie vermutete und suchte in den Ruinen den Eingang der laut Plan mit der Nummer 19 beschildert sein musste. Als er den Schildern folgend durch die Gänge der Gewölbe irrte, ereilte auch ihn ein Ruf aus der Vergangenheit und plötzlich ging er ziel-gerade die Beschilderung missachtend auf eine schmale und niedrige Tür zu. Dahinter saß Marie an die Wand gelehnt auf dem Boden und schaute durch ein Loch in der Mauer, den mittlerweile blutroten Himmel an. Darius setzte sich zu ihr, legte einen Arm um ihre Schulter und folgte ihrem Blick. «Genau wie damals», flüsterte Marie nach einer Weile und schmiegte ihren Kopf an Darius’ Schulter.

«Erzähle mir, was du weißt und was du gesehen hast», bat Darius und küsste Maries Stirn. Marie erzählte Darius, was die Präsenz von Emily Lane in ihr Bewusstsein brachte. Natürlich waren die genauen Ereignisse in ihrer Vision auf dem Plateau nicht so präzise und detailliert wie es dir, liebe Leserin und lieber Leser, vorbehalten ist. Ihre Vision brachte nur Ereignisse zu Tage, aus denen sich Marie einen eigenen Reim machen musste, in dem sie intuitiv das in ihrem Geist Erschienene nach Möglichkeit, Wahrscheinlichkeit und Tatsache ertasten musste. Ihren damaligen Namen erfuhr sie einzig, weil er sich ihr beim Anblick der Ruine auf der Anhöhe plötzlich wie aus dem Nichts in einem klaren und deutlichen Gedanken präsentierte und er wiederholte sich, wie ein Sprung bei einer alten Platte, so lange, bis sie ihn wie unter Zwang laut aussprach. Erst als sie das tat, hüpfte die Nadel von Maries Geistergrammophon weiter und spielte ihr ein Lied aus längst vergangenen Tagen. Auch Darius alten Namen, sowohl den Bürgerlichen als auch seinen Druidennamen konnte sie bis jetzt nur erahnen. Mc Kurc, Mc Kincy oder Kenzy waren wahrscheinlich. Doch das war für Marie im Augenblick auch gar nicht so wichtig. Sie sah DìonAnTreun in der Vision mit ihrem Herzen und erkannte in ihm Darius. Einmal hatte sie ihn kurz gesehen und zwar in Darius dunkler Ecke in dem die alte Lithographie von Dunnottar Castle hängt. Er zeigte sich kurz durch den sie in der Ecke suchenden Darius und verschmolz mit ihm in seinen Augen.Darius pustete laut aus, als Marie ihm alles erzählt hatte. «Die blöden Limis*! Aufgeknüpft haben sie mich!? Na, warte! Bis jetzt war ich bei Fußballländerspielen immer für sie. Nun nicht mehr!», brachte er einzig heraus und sich und eine ziemlich verdutzt dreinblickende Marie zum Lachen. Ihr gemeinsames Lachen war wie eine Erlösung aus der Dramatik der Vergangenheit und in diesem Moment erreichte, die sich am Firmament verabschiedende Sonne, mit ihrem Licht das Loch in der Mauer des alten Verlieses und spendete dem alten Gemäuer, vereint durch Darius und Maries Umarmung im Hiersein und Jenseits, ihr warmes und versöhnliches Abendrot.


Marie und Darius im Verlies Weights Vault auf Dunnottar Castle; Zeichnung Maren Kunst
Marie und Darius im Verlies Weights Vault auf Dunnottar Castle; Zeichnung Maren Kunst


Leise flüsterte Darius noch in Maries Ohr: «Und du mach nicht wieder solche Dummheiten, auch wenn ich mal vor dir gehe. Ich bin immer da, in jedem Windhauch, in jeder Blume und in jedem Vogel, der dir ein Liedlein singt. Auf ewig!»


Als sie in der anbrechenden Nacht auf dem Heimweg in ihr kleines Cottage den Weg entlang der steilen Hänge ertasteten, erzählte Darius woher er von ihrem früheren Zusammensein wusste. Zum einen klärte Mama Mambo ihn über ihre «Paarseele» auf und unterstrich damit seine Erinnerungen an die Nacht, in der Marie ihn pflegte. Er hatte nie darüber geredet, auch weil er es sich weder erklären noch eingestehen konnte. In jener Nacht stand das Tor zu seinem Unterbewussten weit offen und er sah und hörte Dinge aus einigen seiner Vorleben. Jetzt war ihm klar, dass er nicht nur phantasierte, denn er sah auch die Dinge, die Marie ihm soeben in dem Verlies erzählt hatte und er sah auch den Geist von DìonAnTreun an seinem Krankenbett wachen, der schützend seine Hände über seinen und Maries Kopf legte, um sie vor all den unheilvollen und grausamen Energien, die sie umgaben, zu bewahren.



*Limies ist ein Schimpfwort, was im Allgemeinen für Engländer angewendet wurde und wird. Es stammt aus der Zeit der Welterkundung und frühen Seefahrt. Als bekannt wurde, dass die Seefahrerkrankheit Skorbut durch Nährstoffmangel (die Vitamine waren damals noch nicht bekannt) verursacht wird, nahmen die britischen Seefahrer fässerweise Zitronen mit an Bord ihrer Schiffe, weil sie darin richtigerweise ein Mittel gegen Skorbut identifizierten. Limies meint also grob gesagt «Zitronen-Matrosen».


Autor: Maren Kunst

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